Phil 4,6-9
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend
eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen
übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft
mit Christus Jesus bewahren. Schließlich, Brüder: Was immer
wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend
heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und
angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott
des Friedens wird mit euch sein. . (Phil 2,1-11)
Mt 21,33-44
Jesus sprach zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes: Hört
noch ein anderes Gleichnis: Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg
an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm.
Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land.
Als nun die Erntezeit kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um
seinen Anteil an den Früchten holen zu lassen. Die Winzer aber packten
seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um,
einen dritten steinigten sie. Darauf schickte er andere Knechte, mehr
als das erstemal; mit ihnen machten sie es genauso. Zuletzt sandte er
seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung
haben. Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der
Erbe. Auf, wir wollen ihn töten, damit wir seinen Besitz erben. Und
sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.
Wenn nun der Besitzer des Weinbergs kommt: Was wird er mit solchen Winzern
tun? Sie sagten zu ihm: Er wird diesen bösen Menschen ein böses
Ende bereiten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die
Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist. Und Jesus sagte zu
ihnen: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute
verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht,
vor unseren Augen geschah dieses Wunder? Und wer auf diesen Stein fällt,
der wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen.
Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem
Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt. (Mt 21,28-32)
O du mein Volk, was tat ich dir? Betrübt ich dich? Antworte mir!
Ägyptens Joch entriss ich dich. Du legst des Kreuzes Joch auf mich.
In der Karfreitagsliturgie klagt Gott vom Kreuz herunter. Er beklagt sich
darüber, wie viel er für sein Volk getan hat. Der Lohn ist das
Kreuz.
Liebe Mitchristen,
Die Klage Gottes ist uns Menschen nicht fremd. „Was haben wir nicht
alles unternommen, um ihn aus der Sucht herauszuholen!?", höre
ich die Stimme eines Vaters, dessen Sohn zum x-ten Mal dem Rauschgift
verfällt.
„Wie viel hab ich nicht unternommen, um meine Ehe aufrecht zu erhalten?!"
Diese Klage einer Frau klingt mir in den Ohren nach, wie die Stimme eines
Arztes: „Was haben wir nicht alles unternom¬men, um das Leben
der Patientin zu retten?!"
Enttäuschung, Wut und Zorn sprechen aus diesen Fragen heraus.
„Sie packten den Sohn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brach¬ten
ihn um." So erzählt Jesus das konsequente Ende der Geschichte
eines Guts-
verwalters, der einen Weinberg anlegt und ihn an Winzer verpachtet (Mt
21,22-46).
Wie die Knechte des Gutsherrn den Anteil am Ertrag holen wollen, werden
sie verprügelt, umgebracht und gesteinigt. Dies gleich zweimal hintereinander.
Schließlich erleidet der Sohn des Gutsherrn dasselbe Schicksal.
Jesus schildert aus der Perspektive des Gutsherrn, was dieser nicht alles
unter¬nahm, um den Anteil am Ertrag einzubringen.
Der Gutsherr steht für Gott. Der Weinberg ist das auser¬wählte
Volk. Die Winzer sind die Ältes¬ten und Schriftgelehrten.
Die Prophe¬ten, die Knechte des Gutsherrn, stießen immer wieder
auf Ablehnung. Im Sohn, der umgebracht wird, stellt sich Jesus selber
dar. Ich höre die Klage heraus: Was hat Gott nicht alles unternommen,
um sein Volk zu gewinnen? Ich höre auch Jesu Empörung heraus.
So wenig die Propheten Gehör fanden, so wenig findet er Gehör.
Er wird umgebracht.
Ich kann mir die Geschichte nicht vom Leibe halten. Ich kann nicht einfach
sagen, Jesus übte damals Kritik an den Schriftgelehrten und Ältesten
und erinnerte an das Schicksal der Propheten. Ich kann mich nicht hinter
dieser Geschichte verstecken.
Ich sehe mich selbst direkt in dieser Geschichte. Ich sehe mich in den
Schriftgelehrten oder Winzern.
Als Priester gehöre ich der Zunft der Schriftgelehrten mit tief eingegrabenen
dogmatischen Denkmustern an. So wichtig theologische Einsichten sind:
Sie können auch zum Schwert der Ausgrenzung werden für Menschen,
die eine andere Sicht haben.
Der Gutsherr ist Gott. Er allein ist absolut. Ihm ge¬genüber
ist alles relativ. „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet"
(Mt 7,1).
So sagt es Jesus. Ich kann mich in dieser Geschichte aber auch unter den
Knechten des Gutsherrn wieder finden. Jesu Anspruch zu verkünden
stößt nicht überall auf Zustimmung, sein Zuspruch auf
Ablehnung und Hohn. Der Klage Gottes steht die Gottesan¬klage des
Menschen gegenüber.
Nicht zuletzt führt mir diese Geschichte vor Augen, wie oft auch
ich vergesse, was Er mir Gutes getan hat (Ps 103,2).
Dann kann ich Gott, der uns seine maßlose Liebe am Kreuz sei¬nes
Sohnes zeigte, nur noch bitten: „Heiliger Gott, heiliger starker
Gott, heiliger, starker, unsterblicher Gott: erbarme dich meiner."
Oft vergessen wir, was andere für uns alles getan haben. Und wir
vergessen, was Gott alles unternommen hat, um sein Volk zu gewinnen.
Ideen von Erich Guntli, CiG 60/40
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