Predigten aus dem Leben gehalten von :

Pfarrer Lothar Klinges,
Lindenstraße 25, B - 4750 Weywertz
Tel. 003280446069; Telefax: 003280447769

Zurück zur Predigtauswahl

Predigten im Jahreskreis - Lesejahr B
10. Sonntag

Mk 3, 20-35
8. Juni 1997

Liebe Mitchristen,
wenn die Backstreet Boys ein Konzert geben, kommt es zu tumultartigen Szenen. Junge Mädchen kreischen vor Begeisterung und werfen Kleidungsstücke auf die Bühne, massenweise brechen Zuschauerinnen und Zuschauer zusammen, Sanitäter und Rot-Kreuz-Helfer haben alle Hände voll zu tun. Auch andere Stars lösen solche Begeisterungsstürme aus. Wo Michael Jackson auftritt, da flippen die Menschen aus; um Michael Schumacher drängen sich die Autogrammjäger, und der Fußballer Mehmet Scholl erhält waschkörbeweise Fanpost.

Das Evangelium erzählt uns heute eine Geschichte, die auch von so etwas wie einem Star handelt, der in die Schlagzeilen geraden ist. Er ist in aller Munde. Die große Menschenmenge zeigt das zur Genüge. Jesus steht im Ruf, ein begnadeter Heiler zu sein, denn die Liste der Krankenheilungen und Teufelsaustreibungen ist lang. Lang ist aber auch schon die Liste seiner Straftaten, seiner Vergehen gegen das Gesetz. Schon mehrfach ist Jesus bis zu diesem Tag negativ aufgefallen: "Er lästert Gott, er isst mit Zöllnern und Prostituierten, er bricht wiederholt die Sabbatruhe - so lauten die Anklagen. Es ist ohnehin verwunderlich, dass er bisher mit Verwarnungen davongekommen ist. Auf die Schändung der Sonntagsruhe steht immerhin die Todesstrafe.

"Jetzt reicht es", denken seine Angehörigen. "Wenn er so weitermacht, riskiert er Kopf und Kragen, bringt er sich noch um, oder muss zumindest in die Psychiatrische Anstalt eingeliefert werden." Und um das zu verhüten, kommen sie. Notfalls mit Gewalt wollen sie ihn nach Hause bringen. "Er ist doch verrückt, der spinnt", sagen sie. "Er ist nicht zurechnungsfähig, er weiß gar nicht, was er tut!" Für mich heißt dieser Satz nicht, dass seine Familie an Jesus gezweifelt hat. Für mich ist das der letzte, verzweifelte Versuch, Jesus aus dem Verkehr zu ziehen. Als Verrückter, als Geisteskranker ist er nicht für seine Taten verantwortlich und kann daher auch nicht bestraft werden. Er bekommt mildernde Umstände und kann am Leben bleiben.

Doch nicht nur seine Familie steht draußen vor der Tür, um Jesus abzuholen. Auch eine Untersuchungskommission wartet. Sie ist eigens aus Jerusalem angereist. Und auch diese Schriftgelehrten kommen zu dem Schluss: "Jetzt reicht es! Er ist besessen! Er steht mit Beelzebub im Bund. Und seine Dämonenaustreibungen sind Teufelswerk!" Damit setzen sie gleich ein weiteres Vergehen auf die Liste. Auf Zauberei steht ebenfalls die Todesstrafe. Zwei Vorwürfe, zwei Diagnosen, denen sich Jesus ausgesetzt sieht:

* "Er ist verrückt", sagt seine Familie, um ihm das Leben zu retten.
* Er ist mit dem Teufel im Bund", sagen die Schriftgelehrten, um ihn zu töten.

Es geht um Leben und Tod. Die einen nehmen ihn also nicht ernst und erklären ihn für verrückt. Die anderen verteufeln ihn und verdrehen die Wahrheit ins Gegenteil.

Ich glaube, dass das Letztere auch jedem von uns schon passiert ist: Dass man uns das Wort im Mund rumdreht. Zu diesen Menschen, die einem wissentlich das Wort im Mund rumdrehen und das Gegenteil behaupten, von dem was man eigentlich sagen wollte sagt Jesus: "Wer den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihn haften." Jesus widerlegt jedes mal diese Vorwürfe. Aber verdächtigt bleibt er trotzdem. Man wird weitere Gründe suchen, um ihn endgültig aus dem Verkehr zu ziehen, notfalls mit Gewalt. Man wird weitersuchen, bis man etwas gefunden hat, das ihn ans Kreuz bringt.

Aber nicht nur Jesus, auch seine Anhänger, die sich um Jesus geschart haben und von ihm als seine Familie bezeichnet werden, wird man scharf im Augen behalten. Der Vorwurf, ein Spinner zu sein, gilt nicht nur für Jesus, sondern auch für seine Jünger, die damit rechnen müssen, für verrückt erklärt zu werden. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Es geht um Leben und Tod für Jesus - und für seine Jünger.

Wir nennen uns heute "Christen", d.h. Jünger Christi. Wir sind heute seine Jünger. Die Frage ist, ob wir wirklich "Christen", d.h. seine Jünger heute sein wollen. Denn diejenigen, die heute Gott, Jesus und Kirche ablehnen, werden uns alle über einen Kamm scheren. Wir sitzen hier gewissermaßen auch im Kreis um Jesus, drinnen im Haus, und hören ihm zu. Draußen - vor der Kirche - warten die, die ihn für verrückt erklären oder vielleicht gerade noch ein müdes Lächeln dafür übrig haben. Ja, es ist nicht leicht in seinem Geist zu leben. Denn man könnte auch uns für verrückt halten oder zum Teufel wünschen.

<< zurück


Pfarrbrief online

weiter ...

Aktuelle Artikel

weiter ...

Predigt-Archiv

weiter ...

Fotos Pfarrleben

weiter ...

Fotos Firmvorbereitung

weiter ...

Fotos Erstkommunionvorbereitung

weiter ...